LandtechnikAnhänger„Die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern ist Chaos und Raubbau.“

„Die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern ist Chaos und Raubbau.“

Ein Interview von Roman GOLDBERGER, LANDWIRT Chefredakteur

LANDWIRT: Die Weltlandwirtschaft produziert in diesem Jahr das zweite Mal in Folge mehr Getreide als wir verbrauchen. Dennoch hungern über 800 Mio. Menschen. Warum?

Dr. Josef Schmidhuber: Ob am Weltmarkt mehr oder weniger Getreide produziert wird, hat sicherlich einen Einfluss auf die weltweite Ernährungssituation, aber weitgehend nur einen indirekten. Hunger entsteht im Wesentlichen durch Versorgungsund Zugangsprobleme in den Entwicklungsländern selbst. Der Grund liegt darin, dass die dortige Landwirtschaft oft nicht produktiv genug ist, obwohl die meisten Menschen in den Entwicklungsländern von der Landwirtschaft abhängig sind. Natürlich kommen dann noch exogene Faktoren, wie Kriege, Bürgerkriege, Wetter und Klima, dazu. Aber der Kern der Hungerproblematik liegt in einer unproduktiven Landwirtschaft und im mangelnden Zugang zu ausreichend Nahrung.

Diese Landwirtschaft besteht aus Kleinstbetrieben, die sich meist gerade mal selbst versorgen. Im UN-Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft ist aber oft davon zu hören, dass die Familienbetriebe die Welt ernähren. Wie ist das zu verstehen?

Diese Familienbetriebe ernähren nicht den Rest der Welt. Aber sie ernähren die meisten Hungernden. 75 Prozent der Hungernden leben in ländlichen Gebieten. Und in diesen Gebieten ist die Landwirtschaft die wichtigste Existenzgrundlage. Diese Betriebe leben von dem, was sie produzieren. Und wenn das nicht reicht, dann gibt es oft keinen Plan B. Dann gibt es keinen Zugang zu Märkten, keinen Zugang zu Kapital oder Kredi-ten. Man muss den Hunger dort anpacken, wo er herrscht.

Wie kann diesen Gebieten und den Menschen dort geholfen werden?

Mit Investitionen in die dortige Landwirtschaft. Diese Familienbetriebe brauchen eine Wirtschaftsumgebung, die es erlaubt, effizient zu produzieren. Das betrifft den Zugang zu Märkten, das betrifft auch Institutionen, Beratung und Kreditwesen. Oft gibt es kein richtiges Katastersystem. Die Bauern können daher kein echtes Eigentum deklarieren. Somit fehlt die Sicherheit für Kredite, und ohne Kredite kommt es zu keinen Investitionen. Oft müssen aber erst Finanzinstitutionen für den ländlichen Raum geschaffen werden. Man muss einfach alles tun, um die Produktion zu stärken. Parallel dazu muss man den Zugang zu Nahrungsmittel stärken, gerade dort wo die Landwirtschaft nicht die zentrale Rolle spielt, also für die landlosen Arbeiter oder die Hungernden in städtischen Gebieten.

„Der Hunger ist eine klaffende Wunde, trotz allen Wohlstands. Diese Wunde muss heilen, wir alle können dabei helfen.“

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